„Wir sitzen nicht im selben Boot!“ Redebeitrag der SDAJ Karlsruhe zum Thema KiTa

Veröffentlicht am: 7. November 2020
Dieser Beitrag wurde in unserer Kategorie "Karlsruhe" veröffentlicht

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von SDAJ Karlsruhe

„Wir sitzen alle in einem Boot.“ So oder so ähnlich hören wir seit Beginn der Pandemie immer wieder denselben Satz. Die Klatschorgien, die durch das Land wogten haben ja meine Vorrednerinnen und Vorredner schon angeführt. Von Balkonen wurde geklatscht, aus Fenstern, zuhause vorm Fernseher und alles für den gebeutelten Einzelhandel, den geplagten öffentlichen Dienst, die unterbezahlte Pflege und die armen Erziehungsberufe, die auf einmal systemrelevant waren und denen aus der ganzen BRD Wellen von Scheinsolidarität entgegen geklatscht wurden. Aber was war vor Corona? War da alles ok? Wie sah es da in den Krankenhäusern aus? In den Ämtern? Im Supermarkt um die Ecke?

Schauen wir uns das am Beispiel Kita mal genauer an. 2015 haben über 200000 Plätze in Kitas gefehlt. Bundesweit. Das heißt, dass 200000 Kinder trotz gesetzlichen Anspruchs nicht in die Kita konnten. Zum 1. März diesen Jahres fehlten wie viele Plätze 340000! 1000 alleine in Karlsruhe! Das führt natürlich zu einem enormen Druck unter den Eltern, aber auch innerhalb der Kita. Das in unserer Gesellschaft allgegenwärtige Ellbogenverhalten hat sich schon vor langer Zeit auf die Kinderbetreuung ausgeweitet. So kommt es dann auch, dass der Ton gegenüber der Kita rauer wird. Eltern, die sich bis zum Kitaplatz ihres Kindes durchgeboxt haben, erwarten natürlich auch, dass geliefert wird. Die Kinder sollen also in Einrichtungen, die chronisch unterbesetzt sind, deren Bausubstanz und Einrichtung häufig mehr als in die Jahre gekommen sind, eine optimale Betreuung genießen und frühkindliche Bildung mit auf den Weg bekommen. Das ist in einem Bereich in dem alleine 106000 Erzieherinnen und Erzieher 2019 gefehlt haben natürlich eine sehr realistische Erwartung. Und natürlich wird das Problem größer, schließlich gibt es immer mehr Alleinerziehende und in immer mehr Familien müssen beide Elternteile Lohnarbeit nachgehen um ihren Lebensunterhalt zu bewältigen. Eine Entwicklung, die es auch schon seit vielen Jahren gibt. Aber warum führe ich die ganze Zeit Zahlen von 2015 oder 2019 an? Ich stelle mal eine ganz kühne Behauptung auf: Der Notstand in Pflege, Erziehung, im Einzelhandel und so weiter hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Corona zu tun. Die Personalnot gab es schon früher, den Kitaplatzmangel gab es schon früher, die maroden Gebäude gab es schon früher, die Überbelegung in allen Einrichtungen gab es auch schon früher!

Ich habe mich im Vorhinein mit einigen Erzieherinnen und Erziehern unterhalten. Die Unterschiede, die sie merken, sind, dass die Kinder jetzt in kleineren abgesteckten Gruppen interagieren. Dass die Eltern beim Bringen und Holen der Kinder Maske tragen müssen. Dass Erzieherinnen und Erzieher auf Gängen innerhalb der Kita Maske tragen. Wisst ihr, worüber die sich aufregen? Dass Auszubildende während Corona weiter Fremdpraktika in anderen Einrichtungen absolvieren müssen. Das hat das Kultusministerium nämlich in seiner unendlichen Weisheit so beschlossen. Oder dass es weiter Praxisbesuche durch die Berufsschulen gibt. Während des neuen Lockdowns light. Ist natürlich auch sehr sinnvoll zu einer Zeit in der man seine Kontakte beschränken sollen. Aber Corona erwischt uns ja nur in unserer Freizeit und nicht während der Arbeitszeit. Ansonsten ist das meiste wie vor einem Jahr. Die Kindergruppen sind zu groß für zu wenige Erzieherinnen und Erzieher, alle werden schlecht bezahlt und generell fehlt es überall an Geld. Da stellt sich mir die Frage, wo das Geld für die Erziehung unserer Kinder ist? Ein Teil dürfte in die Aufrüstung unserer Bundeswehr wandern. Schließlich gilt es ja immer noch die Rüstungsausgaben auf über 80 Milliarden Euro hochzuschrauben. Ein anderer Teil wird wohl mit den 400 Milliarden Euro des Coronarettungsschirms in die Wirtschaft gewandert sein. An Firmen wie die Lufthansa, die als Dank für Steuergelder in Milliardenhöhe jetzt 1000 Steuerzahler arbeitslos macht. Die Arbeitsplatzvernichtung der letzten Jahre wird also während Corona munter fortgesetzt.

Die Lockerheit und die Geschwindigkeit mit der diese riesigen Summen bereitgestellt werden konnten, sollten uns aber zu denken geben. Denn seit Jahren wird in allen sozialen Bereichen um Geld gekämpft. In Unis, in der Pflege, in Schulen, in Jugendzentren, in Krankenhäusern und nicht zuletzt in den Kitas. Und nie war Geld dar. Nie. Immer wurde sich hingestellt und gesagt, es gebe keine Geld, wegen irgendeiner Krise. Aber jedes mal, wenn eine Bank pleitegeht, wenn ein Unternehmen um Geld bittet, dann sprintet der jeweilige Finanzminister zum Geldautomaten und schmeißt sie mit Geld zu.

Wenn Kitas Banken wären, wären sie alle kernsaniert. Die Kitas funktionieren nicht dank des Staates. Oder dank der Kirche, deren Kitas bis zu 90 Prozent aus öffentlicher Hand finanziert werden. Und schon gar nicht dank der privaten Träger, wo meist am schlechtesten verdient wird und die Ausbeutung am Offensichtlichsten ist. Kitas funktionieren in Deutschland, weil Erzieherinnen und Erzieher an ihre Grenzen gehen bei mieser Bezahlung, miesen Arbeitsbedingungen und einem Haufen Stress. Und das seit Jahren und nicht erst seit Corona.

Vielleicht sitzen wir hier alle in einem Boot. Aber die da oben sitzen in einer fucking Yacht!

Deswegen:
– Es muss um mehr gehen als 4,8%.
– Es muss um einen Kitaplatz gehen für jedes Kind in diesem Land.
– Es muss um Löhne gehen mit denen Erzieherinnen und Erzieher nicht in Altersarmut landen.

Und wenn das im bestehenden System nicht möglich ist! Wenn das bestehende System dafür sorgt, dass in jeder Krise Reiche reicher und alle anderen ärmer werden. Dann müssen wir uns zusammen tun und dieses System überwinden!

Wir als Arbeiterinnen und Arbeiter, wir als Gewerkschaft, wir als Kommunistinnen
und Kommunisten!

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